Auch wenn Teil 2 letzte Woche zeigte, wie wichtig eine präzise Wiedergabe von Transienten für die Ortsbestimmung und die Wirklichkeitstreue ist, erweist sich das Zeitverhalten der meisten herkömmlicher Lautsprecher im allgemeinen als unzureichend. Über die Leistungsfähigkeit eines Lautsprechers lässt sich mit Sprungantwort-Tests eine Vielzahl von Aussagen machen. Dieses Verfahren ist in Bild 5 dargestellt: Einen Druckstoß kann die Luft nicht aufrechterhalten, er strebt einem statischen Wert zu. Alle Lautsprecher (und auch unsere Ohren) arbeiten in der Luft als Hochpaßfilter. Wenn die Spannungsänderung auf einen Lautsprecher gegeben wird, wird die "Dachschräge" der Kurve zeitlich dem Verlauf des Druckabfalls folgen. Der von einem idealen Lautsprecher ausgehende Zeitverlauf läßt sich berechnen und ist im zweiten Bild dargestellt. Jede Abweichung von diesem Optimum weist auf ein Problem beim Lautsprecher hin.
Das Antworten verschiedener Lautsprecher ist mit dem Eingangssignal nicht mehr vergleichbar. Immer noch wird von Lautsprechern nur ein glatter Frequenzgang bei kontinuierlichen Sinusschwingungen verlangt. Dabei wird meist der Phasenverlauf allgemein vernachlässigt. Die üblichen Einwände lauten "Die Phase spielt keine Rolle" oder "Das Ohr kann die Phase ohnehin nicht hören". Darum werden in Lautsprechern mindestens drei Treiber eingesetzt, die in unterschiedlichen Frequenzbereichen arbeiten. Auch sie sind wiederum nur auf einen ebenen Frequenzverlauf hin ausgelegt.
Der Sprungantwort-Test zeigt die Unzulänglichkeit der traditionellen Ansätze. Ein Blick auf Bild 5 verdeutlicht, dass das eingespeiste Signal schlicht und einfach nicht wiedergegeben wird. Statt dessen produzieren dieser Lautsprecher ein Geräusch, das ihre Konstruktion als das Signal beschreibt. Man beachte die sequentiellen Antworten, wenn die Hoch-, Mittel- und Tieftöner zeitversetzt ansprechen, und in einigen Fällen die starke tieffrequente Schwingung, die von der Reflexabstimmung des Tieftöners herrührt.
Dieses vielfache Eigenschwingen ist für die lautsprechereigene Färbung verantwortlich, die jedem Signal überlagert wird. Darum klingen Lautsprecher unterschiedlich - jeder hat seine typische Färbung. Das führt nicht nur zu Hörermüdung durch die Einschwingfehler, sondern lenkt die Aufmerksamkeit auf die Lautsprecher und ihre Größe. Der Zuhörer ist gezwungen, sich in der "Stereomitte" zwischen den beiden Lautsprechern aufzuhalten, denn dort ist die Laufzeit des Eigenschwinggeräuschs für beide Ohren gleich, so daß nur hier sich das mittige Bild aus den reproduzierten Kanälen einstellt.
Das Vervielfachen des elektrischen Eingangssignals durch den Lautsprecher löst im Hörsinn einen Schutzmechanismus aus.. Das führt zu einer Abnahme der Hörempfindlichkeit. Der Hörer möchte das ausgleichen und neigt dazu, die Lautstärke zu erhöhen. Wer sich jemals gefragt hat, warum manche Toningenieure solch ohrenbetäubende Schallpegel erzeugen, findet hier die Antwort: Weil ihre Lautsprecher Musikinformation durch Geräusch ersetzt haben. Die Anwender fordern noch leistungsfähigere, das heißt noch "lautere" Lautsprecher, die aber dann weniger präzise klingen. Forschungsergebnisse belegen, daß Hören bei hohen Schallpegeln mit schlechten Lautsprechern das Gehör mehr schädigt als mit guten Lautsprechern. Die Folge ist eine Hörschädigung.