Lokalisation und Hören – Einschwingvorgänge, die sog. Transienten
Das menschliche Gehör erkennt nicht nur, ob Schall vorhanden ist. Es stellt auch die Richtung fest, aus der er kommt, und analysiert seinen Inhalt, um seine Ursache herauszufinden. Bei musikalischen Klängen wird anschließend die Tonhöhe bestimmt. Man hat diese Zusammenhänge über 20 Jahre untersucht und dabei herausgefunden, dass diese Auswertungen erst nach dem Beginn einer dynamischen Druckveränderung aktiviert werden und nacheinander ablaufen. Ort und Größe des Schallereignisses werden vollständig wahrgenommen, erst dann wird die Tonhöhe erkannt.
Das Empfinden der Tonhöhe und der Klangfarbe wird mit Hilfe der etablierten und in Abschnitt 1 erläuterten Ortstheorie beschrieben. Nach ihr werden verschiedene Teile der Basilarmembran je nach den im Schall enthaltenen Frequenzen angeregt. Allerdings muss es noch einen anderen, schneller wirkenden Mechanismus geben, der in der Zeitebene der Geräuscherkennung dient.
Bild 3 verdeutlicht diese Auswertung einer zeitlichen Druckänderung. Es zeigt einen idealisierten zeitlichen Druckverlauf eines Schallereignisses.
In der Darstellung gibt es drei wichtige Aussagen:
- Eine vollständige Periode ist fürs Erkennen einer Schallquelle durchaus nicht erforderlich; entscheidend ist nur der Beginn der kurzzeitigen Druckänderung (Zeitpunkt A). Die Zeitpunkte, an denen die Information an den beiden Ohren ankommt, werden verglichen, und mit ihrer Hilfe wird die Ursache, also der Ort der Schallquelle, innerhalb von etwa einer Millisekunde (tausendstel) bestimmt.
- Nach dem Schallereignis, das die Druckänderung bewirkte, gleicht sich der Luftdruck entlang der Linie B-F aus. Die Zeitdauer dafür ist abhängig von der Schallquelle und ermöglicht dem Hörer, die Größe und die Gestalt der Schallquelle zu bestimmen.
- Erst nach dem Erkennen der Schallquelle wird die Tonhöhe gemäß der Orts-Frequenz-Theorie der Basilarmembran bestimmt, und zwar aus dem Abschnitt C-F befindlichen Teil des Druckverlaufs.
Die im ursprünglichen Zeitverlauf der Druckänderung enthaltene Information geht über die Bestimmung des Schallquellenortes hinaus. Bild 4 zeigt, wie z.B. die Größe einer Schallquelle die Druckausgleichszeit beeinflusst; dargestellt sind die Druckverläufe einer Pistole, eines Gewehrs und einer Kanone. Es wird deutlich, dass die Druckausgleichszeit mit der Größe der Schallquelle zunimmt.
Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass alles, was die Wiedergabe von kurzzeitigen, transienten Druckänderungen in einem Schallwiedergabesystem beeinträchtigt, die Erkennung von Ort und Gestalt der Schallquelle zunichte macht. Ein Schallwandler (bspw. ein Kopfhörer oder Lautsprecher) mit dem Anspruch auf zeitliche Präzision, muss daher zweifelsfrei in der Lage sein, kurzzeitige Druckveränderungen exakt wiederzugeben.
Teil 3 zu den Problemen der Wiedergabe-Systeme, gibt es nächste Woche